
Zu tumultartigen Szenen kam es am 21. Mai in einem Aachener Gerichtssaal. „Shame on you“ und „schämt euch“ riefen die jungen Leute, die mit dem Urteil der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen unter Vorsitz von Richterin Brunhilde Küpper-Aretz nicht einverstanden waren.
Die Kammer – bestehend aus drei Berufsrichterinnen und zwei Schöffen – befand, dass der Eigentümer einer Wiese bei Morschenich (Kreis Düren) im Unrecht sei. Und dass der Kreis Düren am 22. März 2013 zu Recht eine Ordnungsverfügung gegen den Mann erlassen hatte. Kurt Claßen, der Eigentümer einer Wiese ist, auf der Waldbesetzer ein Protest-Camp errichtet haben, kann sich mit seiner Duldung der Besetzer-Gruppe nicht auf das Versammlungsrecht berufen. Seine Klage wurde abgewiesen, er wird dagegen Berufung einlegen.
Verhandelt wurde in Saal 9, in einem von zwei extra großen Sälen des Gerichtsgebäudes. Das war gut so, denn knapp 50 Aktivisten, die den Hambacher Forst vor den Baggern des RWE retten wollen, waren dort

erschienen. Und mit ihnen mindestens dreimal so viele Polizisten in Kampfuniformen und mit Schlagstöcken. Die Naturschützer wurden am Eingang intensiv gefilzt, so dass der letzte erst den Gerichtssaal erreichte, als die Verhandlung schon gut 20 Minuten im Gange war. Vor dem Gerichtsgebäude hatten die Waldbesetzer eine Art Lager mit einem Zelt aufgebaut. Dort verteilten sie nach der Verhandlung Suppe und legten Transparente aus.
Begonnen hatte die Verhandlung mit einer Darstellung des Streitfalles, wie er aus den Akten ersichtlich ist. Der Kläger (Kurt Claßen) habe der Protestbewegung sein Grundstück am Rande des Hambacher Forst zur Verfügung gestellt. Die Aktivisten hätten darauf 19 Zelte, Bauwagen und Hütten errichtet, so wurde verlesen. Trotz mehrerer Bescheide habe Claßen nicht dafür gesorgt, dass auf seiner Wiese die Bauten entfernt werden. Er ist der Ansicht, dass die Aktivisten ihr Versammlungsrecht wahrnehmen und dieses ihnen nicht genommen werden dürfe.
Haarklein legte Claßen dar, dass die Wiese nicht vorrangig zum Wohnen genutzt wird. Das Camp sei ein zentrales Symbol des Protests, es symbolisiere die Menschen, die wegen des landschaftsfressenden Braunkohleabbau aus ihren Häusern und von ihren Höfen vertrieben wurden. Er sprach auch ausführlich über ein zweites, ganz anderes Verfahren vor dem Kölner Finanzgericht. Dieses führe „einen Vernichtungskrieg“ gegen ihn und habe bewirkt, dass „ich mich nicht richtig auf das Aachener Verfahren vorbereiten konnte“. Er forderte das Gericht auf, sich für befangen zu erklären. Das Gericht lehnte ab.
Claßen stand in der Angelegenheit schon mehrfach vor Gericht. Zuletzt hatte das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass einmal grundsätzlich geklärt werden müsse, ob nicht das Versammlungsrecht Vorrang hat vor dem Baurecht, das der Kreis Düren durchsetzen will. Das Baurecht sieht vor, dass auf der Wiese keine Bauten oder ein Zeltplatz errichtet werden dürfen.
Das Versammlungsrecht ist ein Grundrecht. Was genau eine Versammlung ist, definierte die Richterin im Verlauf der Verhandlung. Sie führte aus, dass in einem ähnlichen Fall ein Roma-Lager vor dem NRW-Landtag als Mittel des Protests anerkannt wurde und unter das Versammlungsrecht gefallen sei. Allein: Im Falle des Camps in Morschenich kam das Gericht nach 45-minütiger Beratung zu einer anderen Einschätzung. Eine ausführliche Begründung werde nachgereicht, sagte die Richterin.
Die Verhandlung wurde von mindestens vier TV-Teams begleitet. WDR und RTL durften vor Beginn der Verhandlung filmen. Während der Verhandlung durften keine Aufnahmen gemacht werden.
