Der Aachener Stadtteil Forst hieß früher Schönforst und befindet sich zwischen dem Frankenberger Viertel und Rothe Erde. Forst wurde am 1. April 1906 (als zweiter Ort nach Burtscheid*) nach Aachen eingemeindet. Warum schreibe ich über Forst? Weil ich da wohne. Jedenfalls wohne ich gewissermaßen (zwar nicht direkt, aber:) hinter dem Schild. Steht das Schild da überhaupt richtig?
Das ehemalige Rathaus von Forst ist heute ein Ärztehaus und es ist sehenswert. Es ist ein altes Gebäude mit hohen Decken, geräumigen Zimmern und einem schönen Treppenhaus . . . ein Juwel. Vor etwa 30 Jahren sollte Forst Ortsschilder bekommen: eins am oberen Teil der Trierer Straße (das war unproblematisch) und ein weiteres in Nähe des alten Rathauses, ebenfalls Trierer Straße.
Als die Bürger hörten, wo das untere Schild aufgestellt werden sollte, regte sich Widerstand. Auch die Leute, die zwischen dem Bahnhof Rothe Erde und dem Rathaus wohnten, wollten zu Forst gehören. Etwa 200 Menschen sollen es gewesen sein, die alle zusammen im Rathaus von Aachen vorstellig wurden und ihr Ziel erreichten: Forst beginnt seitdem laut Schild (oben abgebildet) direkt hinter dem Bahnhof Rothe Erde (vom A’steinweg aus gesehen).
Man wollte wohl einfach nicht den Ortsteil Rothe Erde als Adresse bekommen, konnte noch nicht ahnen, wie sich die Ecke einmal verändern würde. Der Stadtteil wurde – laut Wikipedia – „von 1999 bis 2010 zusammen mit dem gesamten Ostviertel Aachens in das Förderprogramm Soziale Stadt aufgenommen und städtebaulich, verkehrstechnisch und kulturell grundlegend modernisiert“.
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Der Anteil der Menschen, deren Vorfahren nicht in Deutschland geboren wurden, beträgt in Rothe Erde nach meiner Schätzung 50 Prozent, darunter viele, die ihr Viertel lieben und selbstverständlich Aachen ihre Heimatstadt nennen.
Oft konnte ich beobachten, dass sogar Leute, die ihren Urlaub immer im Ausland verbringen, keinerlei interkulturelle Kompetenz haben. Wie dumpf und wenig sensibel muss man z. B. sein, um nicht zu merken, dass man als Mann eine türkische Familie nur dann besuchen darf, wenn der Familienvater zu Hause ist. In jeder Menschengruppe (egal ob Karnevalsverein, Teenager-Gang, muslimische Flüchtlinge, Bilderberger, Künstler usw. usw.) gibt es spezifische Konzepte der Wahrnehmung, des Denkens, Fühlens und Handelns. Die zu erfassen und zu begreifen erfordert natürlich eine gewisse Sensibilität.
*Burtscheid wurde – wie in der Wikipedia steht, angeblich „eingemeindet“. Ein gewöhnlich sachkundiger Leser teilt jedoch mit: Burtscheid wurde nicht eingemeindet. Sondern: „Zwischen Aachen und Burtscheid gab es per Vertrag eine Städtevereinigung.“ Ich denke, dass die Version des Lesers die korrekte ist.