Junge Männer aus wenig betuchten Schichten der Gesellschaft bringen im Stadion schwierige und erschreckende Probleme mit sich: Sie veranstalten gelegentlich Feuer- und Fakelaufführungen, sog. Pyroshows, die gefährlich sind.
Die Vereinsspitze könnte nun denken, dass am besten diejenigen, die mit Feuer, Rauch, Nebel hantieren, dass die alle vom Spiel ausgeschlossen werden. Stadionverbot. Eigentlich sollte es nämlich nicht allzu schwer sein, sogar die Vermummten rauszupicken und ihnen ein Stadionverbot zu erteilen. Deren Plätze sind preiswert, es würde nicht gerade ein riesiger finanzieller Schaden entstehen.
Doch in keinem Verein geschieht es, dass die Pyroshow-Veranstalter konsequent in Menge rausgeworfen werden. Obwohl Feuerwerk überall verboten ist.
Ein Teil des Genusses beim Besuch eines großen Fußballstadions ist „die Atmosphäre“. Wenn man nicht gerade in der Kurve bei den Ultras steht, wenn man an der Mittellinie sitzt oder sogar in den schwarzen Business Seats, dann verlässt man sich darauf, dass andere die Atmosphäre schaffen. Atmosphäre ist ein entscheidender Bestandteil des Fußballerlebnisses. Die rappelvoll besetzte Fankurve ist für den Verein so lebenswichtig wie die Spieler, nicht nur weil von dort aus die Mannschaft massiv unterstützt wird, nicht nur, weil sie dem Verein sichere Einnahmen garantiert, sondern weil ohne sie sonst kein Mensch kommen würde.
Diejenigen, die die Pyroshow-Veranstalter verbieten wollen, denken bestimmt, die Leute zahlen, um Spieler wie Sasa Strujic, Mika Hanraths und Jan-Luca Rumpf zu sehen, das stimmt zum Teil auch.
Aber viele der Leute auf den 490-Euro-Dauerkarten-Plätzen und in den schwarzen VIP-Sesseln zahlen auch dafür, Leute zu erleben, die Jan-Luca Rumpf nach vorne schreien. Wer würde sich einen Platz in einer Businessloge kaufen, wenn das Stadion voller Businesstypen wäre? Der Verein hat die Karten unter der Prämisse verkauft, dass die Atomsphäre mitgeliefert wird. Also hat die Kurve genauso viele Einnahmen erzeugt wie irgendwelche Spieler.
Wer soll ohne die Ultras den Lärm machen? Würden die Feinde der Pyroshows auch dann kommen, wenn sie den Lärm und die Stimmung selbst machen müssten? Oder hätten sie das Gefühl, betuppt worden zu sein? Denn im Grunde hat der Verein ihnen Karten für ein Event verkauft, dessen eine Hauptattraktion nicht mehr ins Stadion darf.
Der Verein müsste nicht zuletzt viel massiver als bisher dafür sorgen, dass es keine mageren Jahre, keine Flauten mehr gäbe. Denn die Anti-Pyro-Fans werden Misserfolge nicht tolerieren. Das ist nicht die Sorte von Leuten, die Anfang März ins Stadion kommen, wenn der Verein auf einem der letzte Tabellenplätze liegt und aus dem Pokal ausgeschieden ist. Warum sollten sie auch? Sie haben so viel Besseres zu tun, Tennis, Golf oder Skifahren im Winterurlaub. Die Ultras waren da und werden wieder da sein, wenn fast 11 Jahre lang nur in der völlig irrelevanten 4. Liga gekickt wird.
Die Ultras würden auf jeden Fall kommen, aber bei den Pyro-Verbietern, da bin ich mir nicht so sicher.

Der Text ist entstanden nach lesen vom neu übersetzten: Nick Hornby, „Fever Pitch – Ballfieber, die Geschichte eines Fans“, Kiepenheuer & Witsch, 6. Auflage, 2025.
und: Arnd Zeigler, „Traum Fussball – Wie unser Lieblingsspiel uns allen noch mehr Spaß machen kann“, Verlag Edel Sports. 1. Auflage, 2023.
Auch lesenswert: https://margretvallot.org/2024/11/16/padagogisches-potenzial-von-fusballstadien-ungenutzt-und-unerkannt/